Pier Luigi Nervi, einem der innovativsten und einflussreichsten Ingenieure des 20. Jahrhunderts, verdanken wir den überaus eleganten Entwurf für das zu Beginn der 1930er Jahre in Florenz errichtete Stadion Berta. Mittlerweile wurde an dem Stadion immer wieder gebaut und verändert, um es den sich wandelnden Bedürfnissen des Entertainmentzeitalters anzupassen. In Stadio Artemio Franchi umbenannt, ist es heute vor allem die Heimstatt des mehr oder weniger erfolgreichen Serie-A-Clubs AC Florenz. Und eben jener steht hinter den Plänen einer radikalen Umgestaltung bis hin zum Abriss und Bau eines neuen Stadions.
Wie in den letzten Jahren die aufgeflammte Debatte über die baulichen Hinterlassenschaften des Brutalismus vor Augen geführt hat, wächst nunmehr das Bewusstsein für eine erhaltenswerte Baugeschichte nach 1900. Dank zahlreicher wissenschaftlicher Auseinandersetzungen und Diskursen in einer immer breiter werdenden Öffentlichkeit, sind in Italien auch die Bauten der faschistischen Zeit in den Fokus der Denkmalpfleger gerückt.
Schon zu Beginn der Pandemie konnte die italienische Sektion des International Council on Monuments and Sites unter der Federführung con Concetta Lenza (Universität Neapel Federico II) ein Augenmerk auf die durchaus prekäre Lage einiger herausragender Stadionbauten in Italien lenken, zu denen eben auch Nervis filigrane Sportstätte in Florenz gehört. Bei einer Online-Konferenz wurden etliche der italienischen Stadien unter bauhistorischen Gesichtpunkten analysiert und ihre Qualitäten herausgestellt. Aus der Konferenz erwuchs ein Engagement zum Erhalt dieser für die Kultur des 20. und 21. Jahrhunderts so emblematischen Bauwerke, das sich vor allem im Plädoyer für einen architektonisch angemessenen Umgang mit dem Florentiner Stadion fokussierte.
Inzwischen hat der drohende Abriss des Stadions selbst in der New York Times Wellen geschlagen. In einem Brandbrief des ICOMOS-Präsidenten Maurizio Di Stefano an den Kulturminister Gennaro Sangiuliano und den Bürgermeister von Florenz Dario Nardella wurde nochmals apelliert, den Entscheid der Soprintendenza speciale per il Piano Nazionale di Ripresa e Resilienza aufzuheben und stattdessen einen Umgang mit dem Baudenkmal zu befördern, der seinen ursprünglichen architektonischen Qualitäten gerecht wird. Doch scheint es nach Aussage des Bürgermeisters leider zu spät zu sein, den Abriss zu Gunsten eines Neubaus aufzuhalten, zumal es angeblich auch keine Einwendungen der UNESCO gegeben habe. Die Diskussion bleibt weiterhin problematisch, trifft sie doch den Kern der Denkmalpflege wonach es bei Baudenkmalen immer auch um ihre Nutzbarkeit gehen muss, will man sie als mehr erhalten als nur großformatige Ausstellungstücke. Denkmlaschutz und baugesichtlich bewusster Umgang mit Bauwerken muss stets auch in der Perspektive planerischer Aneignung diskutiert werden, statt unterschiedliche Interessen in einer Weise gegeneinander auszuspielen, dass am Ende meist die kommerzielle Erträgnis den Ausschlag gibt. Gleichwohl gilt es zu bedenken, dass jede Zeit das Recht hat, sich seine eigenen Baudenkmäler zu schaffen und dass sich der Umgang mit dem Überlieferten stets doch auch an seinem Nutzen messen lassen muss.