Entscheidung im Valser-Tal: Zumthor unterliegt dem Investor Stoffel

Der über Jahre aufgeschaukelte und inzwischen zu einem kommunalpolitischen Drama avancierte Streit um die Valser Architektur-Ikone hat das graubündner Dorf vor eine Zerreißprobe gestellt. Kaum ein Bürger des langen, schmalen Tals hat keine Meinung zu dem Thema. Mitunter kochen die Gemüter hoch; mancheiner traut sich nicht einmal mehr, sich in der Öffentlichkeit zu äußern. Der zum Symbol einer ganzen Gegend aufgestiegene Badetempel aus Gneis steht, nebst nahegelegenem Thermen-Hotel zum Verkauf.

Da die beiden Angebote substanziell vergleichbar sind ist es vor allem eine Frage des Vertrauens, die die Entscheidung der Bürger bestimmt. Freilich, in architektonischer Hinsicht ist es aber auch eine Frage der zu erwartenden Qualität.

Am vergangenen Freitag haben die Bürger der Bündner Gemeinde antschieden, der Immobilienunternehmer Remo Stoffel und der hiesige Steinbruchbesitzer Pius Truffer haben sich mit 287 zu 219 Stimmen durchgesetzt. Damit sei besiegelt, dass die Therme und das zugehörige Hotel an den gebürtigen Valser Investor verkauft würden und dieser die Verantwortung für die Weiterentwicklung des Komplexes übernehme. Die Gemeinde erhält 7,8 Mio. Franken sowie die Verpflichtung, weitere 50 Mio. Franken in Renovationen und einen architektonisch hochwertigen 70-Betten-Neubau zu investieren. Außerdem will Stoffel eine 12 Mio. Franken teure Mehrzweckhalle errichten und die Hälfte dieser Kosten übernehmen. Im Gegenzug erhalten die Valser außerdem die Möglichkeit, Eigentümer der Therme zu bleiben, indem sie Stoffel ein Nutzungsrecht einräumen. Damit ist die Zukunft der Valser Architektur-Perle bezeichnet.

Mit der überraschend deutlichen Entscheidung von Freitag Abend optierte die Gemeinde gegen ihre Verwaltungsspitze, die noch Anfang der Woche ihren geschlossenen Rücktritt erklärt hatte. Wohl hatte man geahnt, dass deren Vorliebe für das Angebot Zumthors nicht von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt würde. Offenbar gin es vielen darum, sich von dem komplizierten „Thermen-Übervater“ Zumthor loszueisen, zumal die Zusammenarbeit mit dem Pritzker-Preisträger stets von Schwierigkeiten überlagert war. Sowohl der alte als auch der neue Therme-Verwaltungsrat hätten sich mit Zumthor überworfen.

Für Stoffel spricht hingegen das vertrauen, das die Valser in seine Heimatverbundeheit stecken. Dieser hatte am Anfang der Gemeindeversammlung versichert: «Ich bin nach Vals zurückgekommen, ich will hier investieren und ich werde bleiben.» Obwohl der Immobilienunternehmer schon früh das Dorf verlassen hatte, sehen viele Valser in ihm nach wie vor einen Einheimischen und vertrauen ihm darum.

Nachräglich bemerkte der international renommierte Architekt Zumthor, dass man ihm nicht einmal richtig zugehört habe. Er kritisierte, die Bevölkerung habe sich von Stoffels Mehrzwekchallen-Projekt verführen lassen. Ferner unterstellte er Truffer einen Rachefeldzug wegen dessen Abwahl im Vorstand der Therme, deren Fassadensteine aus Truffers steinbruch stammt.

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